Stimme

Die Stimme[1]

Jetzt... habe ich oft Gelegenheit, seine Stimme, sein bestialisches Gebrüll zu hören, das von donnernden Radios verbreitet wird... Zwei Stunden lang dröhnte die gewaltige Stimme durch unsere Stadt, brach mit unterschiedlicher Stärke aus diesem oder jenem Fenster hervor, so daß man, wenn man eine Straße entlang ging (was übrigens als gefährliche Unehrerbietigkeit gilt: setz dich und hör zu), den Eindruck hatte, er begleite einen, krache von den Dachfirsten herunter, schlängele sich einem auf allen Vieren zwischen den Beinen hindurch, raffe sich wieder auf, um einem nach dem Kopf zu hacken, kakele, krächze und quake in einer Karikatur auf die menschliche Rede, und nirgendwo kann man sich vor der Stimme verstecken, und das gleiche geschieht in jeder Stadt und jedem Dorf meines erfolgreich betäubten Landes. Offenbar ist niemandem außer mir ein interessanter Zug seines frenetischen Redeschwalls aufgefallen, nämlich die Pause, die er nach jedem besonders wirkungsvollen Sätze macht, etwa wie ein Betrunkener, der ... Bruchstücke aus einem Schimpfmonolog deklamiert, welcher in seinem Zorn, seiner Leidenschaft und Überzeugung voller Nachdruck ist, aber dunkel in seiner Bedeutung und seinem Ziel, dabei häufig innehält, um seine Kräfte zu sammeln, über den nächsten Passus nachzudenken, das Gesagte wirken zu lassen; und dann, wenn er die Pause abgewartet hat, wörtlich das soeben Ausgespiene wiederholt, jedoch in einem Ton, als wäre ihm ein neues Argument eingefallen, ein weiterer völlig neuer und unwiderleglicher Gedanke gekommen.


[1] V. Nabokov, Tyrannenvernichtung. Erzählung, 1938, S. 129, 150-151

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