Nabokovs Berlin              
 Chronik

„Berlins durftige Zartheit“ - eine Chronik
von Nabokovs deutscher Biographie
[1]

Maximilian Wladarz, Essen

 1919

15. April: Die Familie Nabokov flüchtet von Sevastopol’ auf dem alten Dörrobstfrachter »Nadežda (Hoffnung)« nach Konstantinopel und dann weiter nach Piräus und über Frankreich nach London, wo sie am 27. Mai eintrifft.

1920

Anfang August: Eltern und Geschwister ziehen von England nach Berlin-Grunewald, Egerstraße 1 (1. Stock). Die Wohnung ist gemietet von Ida Löwenfeld, der Witwe des Turgenev- und Tolstoj-Übersetzers Raphael Löwenfeld. Nabokov bleibt in England, wo er am Trinity College, Cambridge studiert. In den Semesterferien besucht er seine Familie in Berlin. Das Haus in der Egerstraße ist erhalten und modernisiert.

15. November: Die erste Nummer der russischen Tageszeitung Rul‘ erscheint (mit dem Datum 16. November). Sie wird herausgegeben von Joseph Hessen, August Kaminka und Vladimir D. Nabokov, Nabokovs Vater.

1921

7. Januar: Auf einer Doppelseite von Rul‘  erscheinen von V. Sirin drei Gedichte und die Erzählung Nežit´(Geisterwelt). Hier benutzt Vladimir V. Nabokov erstmals dieses Pseudonym. Sirin bedeutet Sperbereule, Schneeeule und in der altrussischen Mythologie einen farbenfrohen Vogel, der Ähnlichkeit mit der griechischen Sirene hat.

13. Juni bis 7. Oktober: Nabokov verbringt die Semesterferien bei seiner Familie in Berlin.

5. September: Die Eltern ziehen um nach Wilmersdorf, Sächsische Straße 67. Der Vermieter ist ein Offizier namens von Kleist. Die Häuserzeile wurde im Krieg zerstört und ist neu bebaut.

1922

18. März: Nabokov kommt für die Osterferien zu seiner Familie nach Berlin.

28. März: Nabokovs Vater,Vladimir Dmitrievič Nabokov, wird in der Philharmonie, Bernburger Straße 22-23, Kreuzberg ermordet. Das Attentat hatte eigentlich dem linken Kadetten Miljukov gegolten. Als V. D. Nabokov ihm zur Hilfe eilte, wurde er von Sergej Taborickij erschossen. Nabokov gesteht später, dass dies der schrecklichste Tag seines Lebens gewesen wäre.

30. März: Gedenkgottesdienst für V. D. Nabokov in der Kirche der russischen Botschaft, Unter den Linden 7.

31. März: V. D. Nabokov wird auf dem russischen Friedhof in Tegel beigesetzt, wo das Grab heute noch zu sehen ist.

16. April: Von Georgij Čičerin und Walther Rathenau wird der Vertrag von Rapallo ausgehandelt, der die diplomatischen und Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Sowjetrussland wiederherstellt. Er macht die russischen Emigranten, die sich keinen sowjetischen Pass ausstellen lassen, zu Staatenlosen.

20. April: Nabokov fährt zurück nach Cambridge.

21. Juni: Nach Abschluss seines Studiums in Cambridge kehrt Nabokov nach Berlin zurück.

7. Juli: Ein Berliner Geschworenengericht verurteilt den Mörder von Nabokovs Vater, Taborickij, wegen vorsätzlicher Tötung zu 14 Jahren Zuchthaus, Šabelski-Bork wegen versuchten Mordes zu 12 Jahren. Beide werden 1927 vorzeitig entlassen.

15. September: Das Theater Karussel in der Berliner Secession, Kurfürstendamm 232 wird eröffnet.

16. Oktober: Das Kabarett Karussel unter der Leitung von B. Evelinov wird eröffnet.

Herbst: Die Verlobung Vladimir Nabokovs mit der 17-jährigen Swetlana Siewert (Ringstraße 77, Lichterfelde) wird angezeigt. Ihre Eltern stimmen unter der Bedingung zu, dass Nabokov eine feste Arbeit annimmt. Für ihn und seinen Bruder Sergej werden Stellen in einer Berliner Bank gefunden. Sergej geht nach einer Woche, Vladimir gibt schon nach drei Stunden auf.

19. November: Das Buch Nikolka Persik, Nabokovs Übersetzung von Romain Rollands Erzählung Colas Breugnon, wird im Verlag Slowo, Kochstraße 23-24, Kreuzberg veröffentlicht.

20. Dezember: Nabokovs Gedichtband Die Traube (Grosd´) erscheint im Verlag Gamajun, Beiziger Straße 46, Schöneberg.

1923

9. Januar: Auf Veranlassung ihrer Eltern löst Swetlana die Verlobung auf. Swetlana erzählt später, ihr Bräutigam habe wohl Tränen in den Augen gehabt, als ihm die Trennung verkündet wurde. In den Tagen danach schrieb Nabokov 20 Gedichte, von denen er 15 in seinen Gedichtband aufnahm. [Finis]

20. Januar: Nabokovs Gedichtband Der Himmelsweg (Gornij put´) erscheint im Verlag Grani, Courbièrestraße 14, Schöneberg.

4. April: Literaturabend des Russkij Nacional’nyj Sojus [Russischer Nationaler Verband] zum Thema Russland im Schubertsaal, Bülowstraße 104, Schöneberg. Teilnehmer: Ivan Lukaš, Sergej Gornyj, Sergej Krečetov, Gleb Struve, Vladimir Sirin, Vladimir Amfiteatrov-Kadašev. Im Konzertteil  tritt u. a. die Volkssängerin Nadežda Plevickaja auf (spätere Ehefrau des Tripelagenten Nikolaj Skoblin und selber Tripelagentin). Nabokov verarbeitet beider Leben in seiner späterer Erzählung Der Regieassistent.

8. Mai: Bei einem Wohltätigkeitsball des Verbands russischer Kriegsinvaliden im Tanzpalast Fiametta, Kurfürstendamm 119, Halensee, lernt Nabokov Véra Slonim kennen (laut Nabokov war es am 9. Mai).

13. Mai: Nabokovs Übersetzung von Lewis Carrolls Alice im Wunderland (Anja v strane čudes) erscheint im Verlag Gamajun, Belziger Straße 46, Schöneberg.

Mitte Mai bis Ende Juli: Nabokov arbeitet auf einer Obstplantage in Südfrankreich, der Domaine de Beaulieu.

Oktober: Nabokovs Mutter, Elena Nabokova, zieht mit ihren Töchtern nach Prag, wo ihr eine Staatsrente als Witwe von V.D. Nabokov geboten wird.

13. Oktober: Die Einführung der provisorischen Rentenmark beendet die galoppierende Inflation (1 Rentenmark gleich 1 Goldmark gleich 1 Billion Papiermark).

1924

31. Januar bis August: Nabokov mietet ein Zimmer in der Pension Helene Andersen, Lutherstraße 21, 3. Stock, Schöneberg. (Die Pensionswirtin ist Chilenin, Kosten 4 Mark pro Tag mit Essen.) Der Straßenzug, früher in der nördlichen Verlängerung der Martin-Luther-Straße, wurde nach dem Krieg beseitigt, der Straßenname ist nicht mehr existent.

April: Nabokov schreibt die Kurzgeschichte Güte (Blagost´).

13. April: Russischer Byron-Abend im Flugverbandhaus, Schöneberger Ufer 40, Tiergarten, Nabokov rezitiert Byron.

Juni: Nabokov schreibt die Kurzgeschichte Einzelheiten eines Sonnenuntergangs (Katastrofa).

Juli: Nabokov schreibt die Kurzgeschichte Das Gewitter (Groza).

Ende August: Nabokov zieht in die Pension Elisabeth Schmidt um, Trautenaustraße 9 in Wilmersdorf, wo zeitweise auch Marina Cvetaeva und Andrej Belyj wohnten. Das Haus ist im Krieg nur wenig beschädigt worden, 1976 wurde es umgebaut.

30. August: Die Reichsmark löst die provisorische Rentenmark ab, die deutsche Währung wird wieder stabil.

1925

12. März: Nabokov jobbt als Filmkomparse für einen Lohn von 10 Mark pro Tag.

17. März: Eröffnung des Theaters des Literarisch-künstlerischen Kreises (Prinzregentenstraße 1, Wilmersdorf) mit der Pantomime Balagan, Leitung Lydia D. Ryndina, Mitwirkung V. Sirin.

15. April: Eheschließung mit Véra Slonim im Rathaus Wilmersdorf, Ecke Brandenburgische und Sigmaringer Straße. [Véra]

April bis Ende Juli: Die Nabokovs wohnen Luitpoldstraße 13, Schöneberg, beim Konservenhändler Erich Rölke. Die beiden Zimmer hatten sich Anna Feigin und ihre Cousine Véra Slonim einige Monate vorher gemietet; als Anna nach Leipzig geht, zieht Nabokov ein. Beim Auszug behält der Vermieter Veras Mantel als Sicherheit für die Augustmiete zurück; Frau Rölke bringt ihn ihr ans wartende Taxi. Die gesamte Häuserzeile brannte im Krieg nieder, auf dem Gelände der Häusergruppe ist heute der Spielplatz der Werbellinsee-Grundschule.

Juni: Vladimir und Véra Nabokov beschaffen sich Nansen-Pässe für Staatenlose, »ein höchst minderwertiges Dokument von kränklich grüner Farbe«.

27. August bis etwa 4. September: Wanderreise in den Schwarzwald.

Herbst: Nabokov schreibt seinen ersten Roman Mašen´ka.

30. September 1925 bis Herbst 1926: Véra und Vladimir Nabokov mieten in der Motzstraße 31, Schöneberg, zwei Zimmer bei der Majorswitwe M. v. Lepel (Ecke Neue Ansbacher Straße, heute Motzstraße 64 - also nicht die heutige Nummer 31). Das Haus ist mit geglätteter Fassade erhalten.

25. Oktober: V. Sirin hält einen Vortrag über den kürzlich verstorbenen Joseph Conrad in Salon des französischen Buches, Passauer Straße 37, Schöneberg.

10. November: Vortrag von V. Sirin über englischen Humor, auf Englisch, wieder im Salon des französischen Buches.

Anfang Dezember:  Raisa Tartarinov, Julij Ajchenvald, Michail Kaminka, Joseph Hessen, Grigorij Landau und andere gründen einen literarischen Zirkel; Sirin hält dort nach dem Kampf Uzcudun gegen Breitensträter am 1. Dezember im Sportpalast einen Vortrag über die Schönheit des Boxsports.

Dezember: Nabokov schreibt die Kurzgeschichte Berlin - Ein Stadtführer (Putevoditel´ po Berlinu).

Путеводитель по Берлину

1926

Anfang: Nabokov schreibt die Kurzgeschichte Das Rasiermesser (Britva).

März: Mašen´ka erscheint als Buch beim Verlag Slowo, Markgrafenstraße 87.

Ende Mai/Anfang Juni: Nabokov schreibt die Kurzgeschichte Ein Märchen (Skazka).

13. Juli: Bei einerVeranstaltung des Verbands der russischen Journalisten und Literaten in Deutschland im Schubertsaal, Bülowstraße 104, Schöneberg unter dem Titel »Literaturaufführung eines Gerichts über Posnyšev nach der Kreutzersonate von L. Tolstoj« spielt V. Sirin die Hauptrolle des angeklagten Posnyšev.

Herbst bis Ende August 1929: Neue Bleibe: Passauer Straße 12, Wilmersdorf, zwei Zimmer im Zwischengeschoss bei Kaufmann Horst von Dallwitz, einem Russisch sprechenden Baltendeutschen. Der Häuserblock ist völlig verschwunden, in den siebziger Jahren wurde auf dem brachliegenden Grundstück ein Appartmenthaus gebaut.

1927

1. April:  Nabokovs Drama Der Mann aus der UdSSR (Čelovek iz SSSR) wird unter der Regie von Jurij Ofrosimov durch das Theater »Grupa« im Grotrian-Steinweg-Saal, Bellevuestraße 14, Tiergarten uraufgeführt.

27. Mai: Sirin spielt die Rolle des Theaterautors Nikolaj Jevreijnov in der Revue Kwatsch im Logenhaus, Emser Straße 12-13, Wilmersdorf . Regie führt A. A. Murskij.

August-September: Nabokov schreibt die Kurzgeschichte Ein Ehrenhandel (Podlec).

13. November: V. Sirin nimmt beim Literaturabend des Jugendklubs Na čerdake (Auf dem Dachboden) teil, der im Humboldthaus (heute Literaturhaus) in der Fasanenstraße 23, Charlottenburg stattfindet.

1928

Januar bis Juni: Nabokov schreibt seinen zweiten Roman König Dame Bube (Korol´, Dama, Valet). Die Handlung rankt sich um ein Berliner Kaufhaus, dessen Inhaber sich bemüht, stets etwas Besonderes zu bieten. Die Initialen im Titel deuten darauf hin, wovon Nabokov angeregt wurde: K-D-V.
[Das KaDeWe in Berlin]

ab Sommer: Véra Nabokov hat eine feste Stelle im Büro des Handelsattaches der französischen Botschaft in der Dependance Matthäikirchstraße 36, Tiergarten.

Juli: In der Vossischen Zeitung wird Nabokovs Roman Mašen´ka unter dem deutschen Titel Sie kommt - kommt sie? vorabgedruckt, übersetzt von Jakob Margot Schubert und G. Jarcho. Anschließend erscheint er als Paperback im Ullstein Verlag.

September: König Dame Bube erscheint als Buch beim Verlag Slowo, Markgrafenstraße 87.

24. Oktober: Abgeschlossen wird ein Vertrag mit dem Ullstein Verlag über die deutsche Ausgabe von König Dame Bube, Honorar 7500 RM.

15. Dezember: In Nabokovs Schlafzimmer findet eine Abendgesellschaft statt. Der Kritiker Julij Ajchenvald geht um ein Uhr nachts, wird auf dem Nachhauseweg von einer Straßenbahn überfahren und stirbt am nächsten Tag.
[
Der Klub der Dichter ]

1929

Februar bis Juni: Nabokovs fahren über Paris in die französischen Pyrenäen, um Schmetterlinge zu sammeln. Dies ist die einzige Reise dieser Art in der Berliner Zeit, sie wird finanziert von dem Ullstein-Honorar.

Frühjahr bis August: Nabokov schreibt seinen dritten Roman, Lushins Verteidigung (Zaščita Lužina).

Juli: Von dem Rest des Ullstein-Honorars zahlt Nabokov ein kleines Grundstück am Ziest-See an. Es liegt zwölf Kilometer südöstlich von Königs Wusterhausen und vier von Kolberg am Wolziger See, wo er und Véra im Häuschen des Posthalters wohnen.

Ende August bis Anfang 1932: Adresse Luitpoldstraße 27, Schöneberg, Wohn- und Schlafzimmer bei Oberstleutnant a.D. Albrecht v. Bardeleben, »eine riesige und düstere Wohnung«. Das Haus ist zerstört, heute steht an seiner Stelle ein Neubau aus den 50er Jahren mit grauer Fassade.

Mitte Oktober: Nabokov bestimmt Schmetterlinge »im Museum«, wahrscheinlich dem Deutschen Entomologischen Institut, Goßlerstraße 20, Dahlem.  [Schmetterlinge]

Spätherbst bis Ende Februar 1930: Nabokov schreibt seinen Kurzroman Der Späher (Sogljadataj).

November bis April 1930: Lushins Verteidigung wird von der Pariser Literaturzeitschrift Sovremennye zapiski vorabgedruckt.

15. Dezember: Nabokovs Sammlung von 15 Kurzgeschichten und 24 Gedichten Tschorbs Rückkehr (Vozvraščenie Čorba) erscheint im Verlag Slowo, Markgrafenstraße 87.

1930

April bis März 1933: Durch Vermittlung des französischen Handelsattaches findet Véra Nabokov eine Stelle als Sekretärin (fünf Tage die Woche, französische und deutsche Stenografie, französische und englische Korrespondenz) in der Anwaltskanzlei Weil, Gans und Dieckmann, Landgrafenstraße 1, Tiergarten,  die die französische Botschaft berät. Nabokov holt seine Frau ein paarmal ab und verwendet das Gehörte und Gesehene im Roman Dar (Die Gabe). Die Namen werden zu Traum, Baum und Käsebier transformiert. Véra verliert die Stelle, als die Kanzlei von den Nazis geschlossen wird.

Frühjahr: Nabokov schreibt die Kurzgeschichte Pil’gram.

15. März bis 1. April: Nach Erscheinen der russischen Originalausgabe wird in der Vossischen Zeitung der Roman König, Dame, Bube von V. Nabokov-Sirin als Fortsetzungsroman abgedruckt. Als Buch in deutscher Sprache erscheint er anschließend im Ullstein Verlag.

September: Lushins Verteidigung erscheint als Buch beim Verlag Slowo, Markgrafenstraße 87.

Mai bis November: Nabokov schreibt den Roman Die Mutprobe (Podvig), veröffentlicht zwischen Februar und Dezember 1931 in der Pariser Literaturzeitschrift Sovremennye zapiski und in Buchform Ende 1932 in deren Verlag.

November: Veröffentlichung von Der Späher in der Pariser Literaturzeitschrift Sovremennye zapiski.

1931

Winter bis Mai: Nabokov schreibt seinen sechsten Roman Camera obscura (späterer Titel Gelächter im Dunkel), veröffentlicht zwischen Mai 1932 und Mai 1933 in der Pariser Literaturzeitschrift Sovremennye zapiski und als Buch im Dezember 1933 im Verlag Parabola, Paris/Berlin.

Oktober: Die russische Tageszeitung Rul‘ wird mehrmals überfallen, der Ullstein-Verlag trennt sich von dem Blatt. Rul‘ muss bald darauf wegen Zahlungsunfähigkeit schließen. Für Nabokov bedeutet dies einen Einnahmenausfall, insbesondere aufgrund des Wegfalls seiner Inserate, in denen er seine verschiedenen Dienstleistungen angeboten hatte.
Als Nachfolgeblatt von Rul‘ soll die Wochenzeitung Naš vek fungieren.

November: Ein russischer Sportclub wird gegründet. Nabokov geht zweimal wöchentlich zum Fußballtraining »am Fehrbelliner Platz« (vermutlich Sportplatz Schmargendorf, auf dem Gelände der ehemaligen Gasanstalt).

1932

14. Februar: Die russische Fußballmannschaft spielt gegen eine Mannschaft rauher deutscher Fabrikarbeiter, der Torwart Nabokov muss mit gebrochenen Rippen bewusstlos vom Platz getragen werden. Véra verbietet ihm daraufhin weiteres Fußballspielen.

ab Anfang bis 31. Juli: Neuer Umzug in die Westfälische Straße 29, Halensee, bei Familie Cohn; aus Geldmangel konnten Nabokovs nur ein Zimmer mieten. Von dem Haus sind im Krieg nur das Erdgeschoss und ein Teil der Außenwände erhalten geblieben, darauf wurde das Haus wiederaufgebaut.

22. April: Bei einem Goethe-Gedenkabend im Guttmann-Saal, Bülowstraße 104, Schöneberg hält S. L. Frank den Vortrag »Duchovnaja ličnost´ Gete« und Sirin liest Puškins Szene aus Faust.

7. Mai: Sirin liest aus eigenen Werken in Dresden, im Keller einer russischen Kirche.

Juni: Nabokov schreibt die Kurzgeschichte Vollkommenheit (Soveršenstvo).

Juni bis September: Nabokov schreibt seinen siebten Roman Verzweiflung, veröffentlicht wird er zwischen Februar und Oktober 1934 in der Pariser Literaturzeitschrift Sovremennye zapiski, als Buch erscheint der Text am 20. Februar 1936 im Verlag Petropolis, Berlin (Meinekestraße 19).

31. Juli: LetzterUmzug in Berlin: Nestorstraße 22, 3. Stock links, Halensee, wo sie zwei Zimmer bei Véra Nabokovs Cousine Anna Feigin beziehen (als Hauptmieter ist »Kfm. J. Feigin« eingetragen). Das damalige Eckhaus wurde um 1930 erbaut und um 1943 bis hinab zum zweiten Stock zerstört, 1951 wurde es auf altem Grundriss vereinfacht neu aufgebaut.
Im April 1999 wurde an der Fassade eine Gedenktafel für Nabokov angebracht.
Die Nabokovs bleiben in dieser Wohnung bis zum 18. Januar 1937.

20. September: Gedenkabend für die Dichter Saša Černyj und Maximilian Vološin, mit Beiträgen von Joseph Hessen, A. G. Levenson, Sergej Gornyj und V. Sirin im Guttmann-Saal, Bülowstraße 104, Schöneberg.

1933

Anfang: Nabokov beginnt mit der Arbeit an dem Roman Dar (Die Gabe), zunächst am Leben Černyševskijs (Kapitel 4) und an der Biografie des Naturforschers und Entdeckungsreisenden Godunov-Čerdyncev sen. (Kapitel 2).

30. Januar: Machtergreifung der Nationalsozialisten. [Die Stimme]

Sommer: Nabokov schreibt am Grunewaldsee die Kurzgeschichte Der neue Nachbar (Korolek).

30. Dezember: Joseph Hessen organisiert eine Veranstaltung zu Ehren von Bunin anlässlich der Nobelpreisverleihung im Schubertsaal, Bülowstraße 104, Schöneberg. Es werden Vorträge von Fedor Stepun über Bunins Romane und von Sirin über Bunins Lyrik gehalten

Anfang: Nabokov schreibt die Erzählung L.l. Schigaev zum Gedenken (Pamjati L. I. Šigaeva).

1934

26. April: In einem Brief an Chodasevič (Beinecke Library, Yale) schreibt Nabokov: »Dank dem in diesem Jahr besonders saftigen Frühling ist Berlin zur Zeit sehr einnehmend, und wie einen Hund machen mich alle Arten interessanter Gerüche wild.«

10. Mai: Der Sohn Dmitri Nabokov wird in der Privatklinik Dr. Friedrich Grambow, Berchtesgadener Straße 25, Schöneberg geboren.

Sommer: In zwei Wochen schreibt Nabokov den Roman Einladung zur Enthauptung (Priglašenie na kazn´), veröffentlicht wird er 1935/36 von der Pariser Literaturzeitschrift Sovremennye zapiski und als Buch Ende 1938 beim Verlag Dom Knigi, Paris.

1935

6. April: Sirin hält eine Lesung in Joseph Hessens Wohnung, Sesenheimer Straße 28, Charlottenburg.

10. April: In einem Brief an das Rathaus Berlin listet Nabokov, der keine Privatstunden mehr gibt, seine gesamten Honorare im Jahr 1934 auf: zusammen 1156,47 RM. »Während all dieser Jahre ist die dümmste Sorge meines Lebens ein fruchtloser Kampf gegen die Armut gewesen.« (4. September 1937 an Samuil Rosov) [Lebensunterhalt]

Mitte April: Auf einem Empfang zu Joseph Hessens 70. Geburtstag hält Nabokov die erste und letzte Tischrede seines Lebens.

1936

Mitte Januar bis 29. Februar: Nabokov reist zu Lesungen nach Brüssel, Antwerpen und Paris. Véra findet noch einmal Arbeit im Ingenieurbüro Ruths GmbH Wärmetechnik, Joachimsthaler Straße 43, Charlottenburg, verliert sie aber schon nach drei Monaten bei dessen Arisierung. Danach beginnt Nabokov die Ausreise stärker voranzutreiben. Er schreibt Briefe an Bekannte mit der Bitte um eine Arbeitsstelle: „Meine Lage ist so schwierig geworden, dass ich jede beliebige Arbeit annehmen würde. Mein Einkommen als Literat ist winzig: ich könnte nicht einmal allein davon leben, aber ich habe Frau und ein Kind. ... Mit einem Wort, meine Lage ist verzweifelt.“

17. Mai: Die private Russische Vertrauensstelle, eine Art konsularischer Hilfsstelle für Exilrussen in Deutschland, wird auf Veranlassung der Gestapo aufgelöst und durch eine dem Außenministerium unterstellte Einrichtung ersetzt (Bleibtreustraße 27). Zu ihrem Leiter wird der monarchistische Intrigant General Vasilij Biskupskij ernannt; sein Stellvertreter wird der Mörder von Nabokovs Vater, Taborickij. Nabokovs Wunsch, Deutschland zu verlassen, wird immer dringender.

Juni: Nabokov erbt 250 Dollar aus dem Nachlass der Familie Graun – das ist mehr als die Hälfte seines Einkommens in diesem Jahr.

September: General Biskupskij beginnt mit der Registrierung aller Exilrussen. Nabokov stellt Kapitel 4, 2 und 1 des Romans Die Gabe fertig; vollendet wird der ganze Roman erst im Januar 1938 in Frankreich, vollständig gedruckt erst 1952 in den Vereinigten Staaten.

1937

18. Januar: Nabokov bricht zu einer Lesereise nach Brüssel, Paris und London mit einem Touristenvisum auf, doch hat er nicht die Absicht, nach Berlin zurückzukehren.

6. Mai: Véra verlässt mit ihrem Sohn Berlin und trifft Nabokov in Prag wieder. Ende Juni reist Nabokov mit Frau und Sohn nach Frankreich.

Juni: Nabokov schreibt sich auf der Reise von Prag nach Frankreich in Marienbad mit der Kurzgeschichte Wolke, Burg, See (Oblako, ozero, bašnja) Deutschland von der Seele. [Wolke, Burg, See]

 

Rückblick: 1971

Oktober 1971: Nabokov gibt in Montreux ein Interview, in dem er auf die Berliner Zeit und sein Verhältnis zur deutschen Sprache zurückblickt.
[
Rückblick]


[1] Dieter E. Zimmer, Nabokovs Berlin, Berlin 2001, S. 144-152.

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