Nabokov in Berlin            
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Vorwort

(Isabelle Guntermann)

               „Nabokovs Berlin? Müsste es nicht ‚Berlin zu Nabokovs Zeiten’ heißen? Oder ‚Nabokov in seiner Berliner Zeit’? Wirklich ‚Nabokovs Berlin’? Fand er Berlin denn nicht unausstehlich? [...] Doch das gab es [...]: Nabokovs Berlin.“ (Dieter E. Zimmer)

Die Idee, ein Seminar über „Nabokovs Berlin“ zu machen, entstand während einer Dichterlesung, die ich im Oktober 2001 in Berlin besuchte und auf der Dieter E. Zimmer, der renommierte Nabokov-Forscher und Herausgeber seiner deutschen Werkausgabe, ein neues Buch – eben „Nabokovs Berlin“ – vorstellte. Die Ausführungen Zimmers begeisterten mich so, dass ich beschloss, mein nächstes Seminar diesem Thema zu widmen – der von mir gewählte gleichlautende Seminartitel liest sich also wie eine kleine Hommage an Zimmers wunderbar zartes Buch, das durch seine atmosphärische Raffinesse besticht.

Zimmer erzählte auf seiner Lesung von der Akribie, mit der er nach zeitgenössischem Bildmaterial für die Nabokov-Texte suchte. Die Bilder vom alten Berlin, die Zimmer vorstellte, brachten mich auf den Gedanken, gemeinsam mit den Seminarteilnehmern eine Exkursion nach Berlin zu machen. Wir besuchten die Wohnhäuser Nabokovs, die Orte seines Alltagslebens und die Plätze, an denen sich die russische Intelligenz der 20er Jahre traf.

Mit „leisem Wehklagen“ (Johanna Stöhr) stellten wir fest, dass ein Großteil der von Zimmer und auch von Thomas Urban genannten Schauplätze von Nabokovs Berlin im 2. Weltkrieg und während des späteren Modernisierungsprozesses dem Erdboden gleichgemacht wurden. Alte Fassaden sind modernisiert, marode Wohnhäuser entkernt, ganze Gebäude sind vollständig zerstört und nicht wieder aufgebaut worden. Straßenzüge wurden umgeleitet, frühere Plätze bilden heute Brachland. Höhepunkt und zugleich Symbol unserer historischen Verlust-Erfahrung war die Suche nach jenen Riesenschildkröten, deren Fütterung Nabokov in seinem Text „Berlin – Ein Stadtführer“ beschreibt und die Zimmer mit einer Fotografie aus dem Jahre 1913 belegt: Von den Schildkröten, die auf der Fotografie ihre amphibischen Hälse zum Zoowärter recken, lagen in einem abseitigen Regal des Berliner Aquariums nur noch verstaubte Panzer!

So gleicht der kleine Sammelband, zusammengestellt von Magdalena Herrmann, Johanna Stöhr, Joachim Trautwein, Maximilian Wladarz, Jana Zwetzschke einer Topographie des Verschwindens: „Die Pferdestraßenbahn ist verschwunden, die Elektrische wird verschwinden, und ein exzentrischer Berliner Schriftsteller in den Zwanzigerjahren des einundzwanzigsten Jahrhunderts, der unsere Zeit schildern möchte, wird in ein historisches Technikmuseum gehen [...]. Dann wird er nach Hause gehen und eine Beschreibung der Straßen Berlins in vergangenen Zeiten zusammenstellen. Alles, jede Einzelheit, wird dann Wert und Bedeutung haben“ (Nabokov: „Berlin – ein Stadtführer“).

Herzlich bedanken möchte ich mich an dieser Stelle beim Seminar für Slavistik, das die Finanzierung unserer Exkursion übernahm und bei Frau Katharina Mol von der Fachschaft Slavistik, die wesentlich zur Organisation und Umsetzung des Projekts beigetragen hat. Unser aller Dank gilt auch unserem beharrlichen IT-Fachmann Herrn Maximilian Wladarz, ohne den die Veröffentlichung unseres Projekts im Internet nicht möglich gewesen wäre.

Wer?

Texte

Streifzüge

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