Rückblick

Nabokovs Deutsch[1]

Meinen ersten russischen Roman schrieb ich 1924 in Berlin, es war Mašen’ka, und auch die erste Übersetzung eines meiner Bücher war Mašen’ka auf Deutsch mit dem Titel: Sie kommt – kommt sie?, veröffentlicht von Ullstein im Jahre 1928.

Meine nächsten sieben Romane wurden in Berlin geschrieben und alle hatten –  zum Teil oder auch ganzeinen Berliner Hintergrund. Dies ist der deutsche Beitrag zur Atmosphäre und Erstellung meiner acht in Berlin geschriebenen russischen Romane. Als ich von England nach Berlin umzog, hatte ich nur oberflächliche Kenntnisse des Deutschen, die ich bei einem früheren Aufenthalt in Berlin aufgeschnappt hatte, als ich mit meinem Bruder im Winter 1910 mit einem russischen Tutor nach Berlin kam, um mir die Zähne von einem amerikanischen Zahnarzt richten zu lassen.

Im Laufe der Jahre an der Universität in Cambridge pflegte ich mein Russisch durch die Lektüre russischer Romane, meine Hauptbeschäftigung, und ich verfasste eine schreckliche Menge von Gedichten in Russisch.

Nach meinem Umzug nach Berlin wurde ich von einer panischen Angst verfolgt, mein kostbares Russisch zu verderben, falls ich fließend Deutsch sprechen lernte. Diese selbstauferlegte sprachliche Abschottung wurde mir dadurch erleichtert, dass ich in einem abgeschlossenen Kreis von russischen Emigranten lebte und ausschließlich russische Zeitungen, Zeitschriften und Bücher las.

Meine einzigen Ausfälle in die lokale Sprache waren die Höflichkeiten, die ich mit meinen Vermieterinnen und Vermietern austauschte, und die notwendigen Wendungen beim Einkauf: „Ich möchte etwas Schinken“. Ich bedauere jetzt, dass ich mich so armselig verhalten habe, zumindesten vom kulturellen Standpunkt aus.

Das Bisschen, was ich in dieser Hinsicht getan habe: ich habe in meiner Jugend Heine-Lieder für eine Altistin übersetzt, die beiläufig wollte, dass die musikalisch bedeutenden Vokale zusammenfielen mit den vollen Tönen, und so übertrug ich „ich grolle nicht“ in „net, zlobu net“ anstelle der unsingbaren alten Version „ja ne seržus’“. Später las ich Goethe und Kafka, wie auch Homer und Horaz. Und natürlich habe seit früher Jugend eine Menge deutscher Schmetterlingsbücher mit Hilfe eines Wörterbuches bewältigt.


[1]Aus einem Interview für den Bayerischen Rundfunk im Oktober 1971 in Montreux. Übersetzung aus dem Englischen von M. Wladarz

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